Am letzten Donnerstag haben wir den Lebensentwurf betrachtet, den Jesus für unser Leben hat: daß wir Gott lieben sollen mit „ganzem Herzen, ganzer Seele, mit allen Gedanken und all unserer Kraft“. Wow: was für ein Anspruch! Kann Jesus das wirklich meinen, was Er da sagt?
Das erste, was mir beim Nachdenken über diese Bibelstelle auffällt, ist die Sehnsucht Gottes. Gott möchte von mir geliebt werden. Welch eine Ehre ist das. Er: der Gott, der alles geschaffen hat, Er, der immer war und immer sein wird, Er, der größer und erhabener und schöner und liebenswerter ist als alles, was ich jemals in meinem Leben erfahren werde – dieser Gott möchte von mir geliebt werden. Und wie bei jedem Liebenden kennt Seine Sehnsucht keine Grenzen, will Er meine ganze Liebe. Weil auch Er mich so vollkommen grenzenlos liebt. Das sehen wir, wenn wir betrachten, wie Gott sich in Jesus Christus offenbart hat. Auf diesem Hintergrund ist das, was Jesus hier sagt, mehr als eine Forderung; es ist die Einladung, in die Liebesbeziehung einzutreten, die von Gottes Seite her bereits besteht.
Und genau diese Einladung kann zu dem Fundament werden, das ich in meinem Leben brauche. Wirklich geliebt zu werden, jemanden zu haben, der ein ehrliches Ja zu einem sagt: das baut Selbstvertrauen. Auf einer solchen Liebe kann ich aufbauen. Das können wir in zwischenmenschlichen Beziehungen genauso erfahren wie in der Beziehung zu Gott.
Aber dennoch: ist eine solche Ausschließlichkeit denn realistisch? Ich glaube, es lohnt, diesen Anspruch Jesu wirklich einmal stehen zu lassen. Gott sehnt sich danach, daß ich Ihn mit allem liebe, was ich bin und habe. Das kann ich akzeptieren. Er hat diesen Anspruch selbst bereits verwirklicht: Er liebt mich genauso uneingeschränkt, wie Er es von mir wünscht. Aber weil Gott wirklich mich liebt, nicht ein Idealbild von mir, deshalb beginnt Seine Liebe nicht zu kippen, wenn ich dem Ideal nicht entspreche. Und dennoch bleibt der Anspruch Jesu bestehen, bleibt das Ziel, zu dem ich mich mehr und mehr hinentwickeln kann.
Das Ziel
Aus der umfangreichen Literatur zur Persönlichkeits-Entwicklung wissen wir, daß Ziele wichtig sind. Warum? Weil sie uns motivieren, und weil sie uns einen Punkt geben, den wir auf unserem Weg fixieren und an dem wir uns ausrichten können. Je klarer ein solches Ziel formuliert ist, desto leichter fällt es uns, den nächsten Schritt herauszufinden, der uns dem Ziel näher bringt.
Angenommen, jemand hat als sein großes Ziel definiert, er wolle in 10 Jahren „seine erste Million besitzen“. Dann ist das ein Fixpunkt, an dem er jede Aktion, jede richtungsweisende Entscheidung messen wird. Welche berufliche Laufbahn wird er einschlagen? Mit welchen Personen wird er sich vernetzen, wessen Kenntnisse wird er nutzen, um seinem Ziel näher zu kommen? Er wird viele Entscheidungen treffen müssen, aber so lange er sein Ziel nicht aus den Augen verliert, wird ihm das Entscheidungen oft leichter machen; die grundsätzliche Richtung ist ja vorgegeben.
Und genau das kann das Modell Jesu für uns bedeuten. Die Liebe: das große Ziel, das uns wichtiger ist als alles andere, das Ziel, von dem wir uns immer wieder beurteilen lassen.
Im letzten Artikel habe ich von meinen Begegnungen mit Menschen geschrieben, die so darunter leiden, daß sie nicht wissen, was eigentlich ihre Berufung ist. Vielleicht ist es ja so, daß wir in der Regel gar nicht die Feuerschrift an der Wand brauchen, mit der uns unübersehbar mitgeteilt wird, was der nächste Schritt, meine nächste Aufgabe ist.
Ich glaube, Augustinus hat einmal gesagt: „Liebe, und tu was du willst.“ Dieser Satz ist für mich sehr wichtig. Wenn mir die Grundlage, von Gott geliebt zu sein, einen sicheren Boden gibt, und wenn ich keine klare Weisung von Gott bekomme – dann habe ich die Freiheit, zu entscheiden. Meinen Lebensweg so zu gestalten, daß er mich dem großen Ziele, Ihn genauso zu lieben, näher bringt.
Wenn wir vor einer Entscheidung stehen, dann können die folgenden Fragen vielleicht helfen:
- Was sind meine Begabungen, was mache ich gerne?
- Welche Wege stehen mir gerade offen?
- Welcher dieser Wege bringt mich meinem Ziel näher, Gott uneingeschränkter zu lieben?
- Welcher dieser Wege fördert die Liebe zu meinen Mitmenschen?
- Welcher dieser Wege entwickelt die Liebe zu mir selbst?
Wirkliche Liebe kann darauf verzichten, den anderen zu manipulieren. Wahre Liebe schenkt Freiheit. Ich glaube: genau das tut Gott mit uns. Er fordert uns auf, Verantwortung für unser Leben zu übernehmen. Dafür legt Er uns kein Korsett aus Regeln an. Wir können selbst entscheiden. Aber Er zeigt uns das große Ziel, damit wir nicht zu weit vom Weg abweichen: die Liebe zu Ihm, zu unserem Mitmenschen und zu uns selbst.
Anmerkung: leider habe ich es nicht hinbekommen, diesen Artikel wie versprochen am Montag zu veröffentlichen. Sorry.
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